KUBOEDER - Geschnittene Würfel
In den Gangverhältnissen der Geologie entdeckte Fröbel ein eigentümliches Phänomen: Flächen, die durch Risse aufgespaltet wurden, lassen „das Reinste, was in ihnen ruht“ auf ihren „Sprungflächen“ sich gestalten. Diese Erscheinung der „kristallinischen Gangausfüllungen“ setzte Fröbel in eine Konzeption der „Familie der Urgestalten in 14 verschiedenen Festgestalten“ um.
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Das Phänomen der in Kristallformen sich objektivierenden Naturkräfte wollte er in den ‚Spielgaben‘ versinnbildlichen. Er kreierte den geschnittenen Würfel (siehe Lieselotte Heller, Friedrich Fröbel. Die zahlenmystischen Wurzeln der Spieltheorie, Peter Lang Verlag, 1987)
Im Unterschied zur Teilung, die ein Ganzes in kleinere Teile zerlegt, wird durch Schnitte die Struktur des Ganzen syntaktisch aufgebrochen: sie werden stimmhaft. Das heißt, durch dreidimensional angesetzte Schnitte am Würfel generiert und konstituiert sich allererst das dem Würfel intrinsische Gesetz regelgeleiteten Denkens, Sagens und Tuns. Die inneren Beziehungsgefüge der Schnittflächen (Gangverhältnisse) manifestieren sich in triadischen Einheiten von Ganzem (Würfel), Schale (Teile) und (kristallinem) Kern.
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Die im Umgang mit den geschnittenen Würfeln zu Tage tretenden spezifisch ästhetischen Ordnungen fordern die Phantasie des Kindes regelrecht heraus, sich sprachlich ‚auszukristallisieren‘. Denn die Schräge bringt Leben und Spannung in die statische Natur des Würfels und stellt das ‚bewegliche Glied‘ dar zwischen den Positionen von Lot und Waage. Ein kongeniales Konzept harrt seiner praktischen Umsetzung – eine komplexe, nicht nur handwerkliche, vielmehr in höchstem Grad auch geistige Herausforderung
Tischlermeister Erich Hörz, Münsingen, kann ich für die Aufgabe der Schnitte gewinnen: ein erster, von Hand an der Bandsäge ‚geschnittener Würfel‘ entsteht. Jedoch, dem Willen, die Idee weiterzuführen und der Arbeit in der Schule zu erschließen, steht sogleich die Einsicht gegenüber, dass dies nicht ohne finanzielle Hilfe zu verwirklichen ist.
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1988 bewilligt die Robert-Bosch-Stiftung die Förderung des Projekts ‚Praktisches Lernen mit geometrischen Körpern nach Fröbel‘ unter der Federführung von Prof. Dr. Klaus Giel, Seminar für Pädagogik, Universität Ulm und es gelingt mir, Dr. Raimund Hommel, Penzing, für die graphische Darstellung der Würfelschnitte zu gewinnen (siehe Bildarchiv). 1989 legt er seine Arbeit vor: graphische Darstellung aller Schnitte + mathematische Analyse + fertigungsrelevante Daten.
Im Februar 1989 beginnt für Erich Hörz die schwierige Aufgabe, maschinelle Vorrichtungen für die serienmäßigen Schnitte am Würfel zu entwickeln. Im November des gleichen Jahres kann die Erprobungsphase in drei Schulen beginnen. Alle Unterrichtsstunden wurden wissenschaftlich begleitet (siehe Praxisberichte).
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1996 Anlässlich der von der Gerhard-Mercator-Universität Duisburg einberufenen Deutsch-Japanischen Fröbeltagung in Bad Blankenburg wurde ich eingeladen, das KUBOEDER-Projekt vorzustellen. Das Thema meines Referats: Die geistigen Dimensionen der Körperlichkeit am Beispiel der Fröbelschen Spielgaben (siehe Praxisberichte).